Wenn der Himmel seine Schleusen öffnet…

Warum eine eingehende Betrachtung mit Starkregenereignissen immer wichtiger wird.

In den Medien war es im erst kürzlich vergangenen Jahr 2024 wieder in aller Munde. Extremwetterereignisse, die sich in Form von Starkregen zeigen und uns häufig so unerwartet treffen, sodass bestimmte Regionen innerhalb weniger Stunden in den Ausnahmezustand versetzt werden. Gerade im benachbarten Niederösterreich war die Situation in diesem vergangenen September besonders schmerzlich zu beobachten – kämpften doch so viele dort betroffene Gemeinden mit den plötzlich aus allen Richtungen kommenden Wassermassen. Aber auch viele Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit in und um die Region (z.B. Simbach) zeugen von katastrophalen Vorkommnissen, die die Unberechenbarkeit jener Wetterlagen verdeutlichen. Und immer wieder stellt man sich bei der Beschäftigung mit solchen Unwetterereignissen, bei der Betrachtung all der Bilder, die Frage, ob wir tatsächlich immer häufiger von Extremwetterereignissen wie Starkregen betroffen sind? Ist es einzig und allein die Berichterstattung in den Medien, das Aufbauschen und Ausschlachten von Themen, durch das wir das Gefühl bekommen diese häufiger zu erleben? Oder handelt es sich hierbei vielmehr um Ereignisse, die in der Geschichte der Menschheit immer schon vorgekommen sind, mit welchen man also einfach leben muss? Und wenn nicht und wir tatsächlich häufiger von Starkregenereignissen betroffen sein werden, was ist die Ursache dafür? Der Klimawandel? Unsere Lebensweise und Art zu Bauen? Und wie können wir uns dann davor besser schützen, uns besser vorbereiten für zukünftige Katastrophen? Eine Reihe von Fragen, die allein schon bei der Fülle der unterschiedlichen und notwendigerweise zu betrachtenden Aspekten überfordernd wirken können. Eine Überforderung, die uns letztendlich dazu bringt das Thema wieder in den Hintergrund zu schieben, um uns mit erfreulicheren Dingen zu beschäftigen. Nur um dann im Falle des Falles unvorbereitet dazustehen und sich zu fragen, was man doch hätte tun können.

Ein Projekt der ILE Zukunftsregion Rupertiwinkel e.V. zum Thema Starkregen und Sturzfluten soll die Entwicklung eines interkommunalen Anpassungskonzepts vorantreiben.

Die ILE Zukunftsregion Rupertiwinkel e.V. – ein seit dem Jahr 2015 bestehender Zusammenschluss der sieben Kommunen Fridolfing, Kirchanschöring, Petting, Taching, Tittmoning, Waging und Wonneberg, welche gemeinsam ökologische, soziale und ökonomische Projekte umsetzen – hat genau zu dem Thema Starkregenereignisse und Sturzfluten ein Projekt gestartet. Unter dem etwas ausufernden Titel „AresA – Interkommunales Anpassungskonzept für Starkregen und Sturzfluten mit einem multifunktionalen, resilienten Ansatz“ verbirgt sich ein sehr klar definiertes Ziel: die gesamte ILE-Region auf kommende Starkregenereignisse besser vorzubereiten. Dazu sollen in dem ganzheitlich angelegten Projekt auf der Basis von bereits bestehenden, aber auch neuen Erkenntnissen gemeinsame Vorsorgemaßnahmen definiert werden, wie mit den immer häufiger zu erwartenden Starkregenereignissen besser umgegangen werden kann. Ganzheitlich meint in diesem Sinne unter Berücksichtigung von Naturschutz, Hochwasserschutz, Gewässerschutz, Landwirtschaft aber auch Bauleitplanung. Klingt komplex? Ist es auch.

Starkregen unterscheidet sich in Bezug auf sein Auftreten und seine Intensität deutlich zu Hochwasser.

Aber zuerst zurück zum Anfang: wozu braucht es so ein Projekt eigentlich? Und worum geht es bei Starkregen eigentlich? Ist das nicht mit Hochwasser gleichzusetzen? Und wäre es nicht einfacher die bereits bekannten Gefahrenpunkte mit Hochwasserschutzbauten effektiv zu schützen? Wozu ein Konzept entwickeln, welches neben Hochwasserschutz auch Naturschutz, Gewässerschutz und die Landwirtschaft einbinden möchte? Nun, zunächst ist wichtig zu verstehen, dass Hochwasser und Starkregen sich ganz wesentlich voneinander unterscheiden. Während Hochwasser ein meist gut vorhersagbares Ereignis ist, welches durch lang anhaltenden Regen entsteht, trifft dies bei Starkregen nicht zu. Vielmehr kann Starkregen ein sehr lokal auftretendes Ereignis sein, bei dem innerhalb kürzester Zeit sehr große Wassermassen vom Himmel fallen (teilweise sogar die gesamte Niederschlagsmenge eines einzigen Monats!) und es dadurch zu lokalen Überflutungen kommen kann. Dabei ist der Boden (und auch die Kanalisation) mit der Aufnahme des intensiven Regens schlichtweg überfordert, wodurch sich das Wasser in der Landschaft staut und es im schlimmsten Fall zu sogenannten Sturzfluten kommt. Dabei läuft das Wasser direkt auf der Oberfläche ab und wird im Falle von Hanglagen in seiner Ablaufgeschwindigkeit begünstigt. Mit teils hoher Geschwindigkeit trifft es so auf umliegende Häuser, Straßen und öffentliche Gebäude ein – die Auswirkungen auf diese können in diesem Sinne unvorhersehbar sein. In der Regel treffen sie die meisten davon Betroffenen unvorbereitet1.

Kommen wir zu der Frage, warum eine ausschließliche Beschäftigung mit Starkregenereignissen so wichtig erscheint. Warum gibt es in durch die ILE Zukunftsregion Rupertiwinkel e.V. nun eine Studie, die sich ausschließlich mit der Entwicklung eines Anpassungskonzeptes für Starkregen und Sturzfluten beschäftigt? Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Häufigkeit von Starkregenereignissen zunehmen wird2. War Hochwasser ein Problem, das in der Geschichte der Menschheit immer wieder vorgekommen ist, wird Starkregen ein Wetterphänomen sein, welches in der nahen Zukunft immer häufiger zu beobachten sein wird. Vom Deutschen Wetterdienst heißt es dazu sogar, dass Phasen, in welchen es länger und kontinuierlich regnen wird, in der Wahrscheinlichkeit abnehmen werden. Starkregenereignisse, die gerne gemeinsam mit Wärmegewittern nach einer längeren Schönwetterperiode auftreten, werden uns hingegen häufiger begegnen. Allein aus diesem Grund erscheint eine genauere Beschäftigung mit dem Phänomen und der Definition von Bewältigungsstrategien zu einem Umgang mit Starkregen daher wesentlich.

Starkregen verhält sich jedoch auch in Bezug auf die sich dadurch ergebenden Auswirkungen gänzlich anders als Hochwasser. Dies hängt einerseits mit der wesentlich höheren Regenmenge zusammen, die innerhalb kürzester Zeit zu Boden fallen kann. Andererseits jedoch auch mit dem Auftreten dieser Regenfälle, wodurch neben Gewässern vor allem jene Orte betroffen sein können, die fernab von Bächen, Flüssen oder Seen liegen und bei denen man somit mit einer eher geringen Hochwassergefahr rechnen würde3. Durch eine Sättigung des Bodens, der die auftretenden Wassermassen in der Kürze der Zeit meist nicht aufnehmen kann, kommt es daher im Flachland auch schnell zu einer Überlastung der Kanal- und Abwassersysteme. Ungefiltertes Wasser, das dadurch in die umliegende Landschaft abfließt, stellt somit nur eine der vielen Folgen dar. Im Hügelland können die Auswirkungen von wild abfließendem Oberflächenwasser noch viel weitreichender sein. Auch dort sind die Böden durch die Intensität der Regenfälle überfordert und können diese nicht mehr aufnehmen. Durch das Gefälle fließen die Oberflächenwasser mit erhöhter Geschwindigkeit, unkontrolliert ab und können zudem auch Gegenden erreichen, die nicht von Starkregen betroffen waren4.

Mit einem ganzheitlichen Ansatz sollen zukünftige Vorsorgemaßnahmen definiert werden, um sich besser für künftige Starkregenereignisse zu rüsten.

Eine erste Betrachtung des Themas verdeutlicht die Notwendigkeit sich stärker mit Starkregenereignissen auseinanderzusetzen. Nicht nur aufgrund der Volatilität im Auftreten von Starkregenereignissen – diese können unverhofft alle Regionen betreffen – sondern auch aufgrund der vorhergesagten zunehmenden Häufigkeit. Dass klassische Hochwasserschutzbauten in diesem Falle auch keine Abhilfe bieten können, erscheint aufgrund der zuvor dargestellten Lage auch nachvollziehbar. Es braucht einen alternativen Ansatz, eine neue Betrachtung des Themas, auch um zu lernen, wie mit künftigen Ereignissen besser umgegangen werden kann. Die ILE Zukunftsregion Rupertiwinkel hofft mit ihrem Projekt dazu einen wichtigen Beitrag zu leisten. Gerade aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes, also der Berücksichtigung von Naturschutz, Hochwasserschutz, Gewässerschutz und Landwirtschaft, sollen nachhaltige Konzepte entwickelt werden, die die Region zukunftssicherer, resilienter machen. Um welche Lösungsmaßnahmen es dabei konkret gehen wird und wie das Projekt umgesetzt wird, darüber werden wir laufend berichten.


Weitere Informationen zum Projekt „AresA – Interkommunales Anpassungskonzept für Starkregen und Sturzfluten mit einem multifunktionalen, resilienten Ansatz“ gibt es hier:


1 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Naturgefahr: Starkregen, https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Risikomanagement/Baulicher-Bevoelkerungsschutz/Schutz-vor-Naturgefahren/Starkregen/starkregen.html

2 Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge e.V.: Starkregen, https://dkkv.org/themenseiten/starkregen/

  IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change): Climate change widespread, rapid, and intensifying, https://www.ipcc.ch/2021/08/09/ar6-wg1-20210809-pr/

3 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2015: Die unterschätzte Risiken „Starkregen“ und „Sturzfluten“. Ein Handbuch für Bürger und Kommunen, S. 24

4 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2015: Die unterschätzte Risiken „Starkregen“ und „Sturzfluten“. Ein Handbuch für Bürger und Kommunen, S. 19